Es kommt immer wieder die Frage auf, ob man die Bruteier der Legewachtel vor dem Einlegen in den Brutautomaten desinfizieren muss. Bei deutschen Züchtern wird das im Regelfall -zumindest nach meinem Wissen- kaum praktiziert. Man soll die Eier nicht waschen, heißt es. Grober Schmutz muss entfernt werden, aber nicht mit Wasser oder gar Chemie. Allenfalls "feines Schleifpapier" oder einen harten Schwamm soll man dazu verwenden. Oft wird davor gewarnt, dass allzu grobes Reinigen der Bruteier die natürliche Schutzschicht des Wachtelbruteies zerstört.
Stammen die Bruteier von etwas älteren Legewachteln, kann man beim Schieren und unter dem Mikroskop kleine Risse in der Schale erkennen. Eierschalenrisse treten bei Wachteln ab einem Alter von 6 Monaten auf, etwa ab dem 4. Legemonat. Würde man solche Bruteier mit scharfen Chemikalien behandeln, gehen die Substanzen mit hoher Wahrscheinlichkeit in das Ei über.
Soll man nun, oder soll man nicht? Oder ist das alles eine geniale Geschäftsidee?
Natürlich erscheint es irgendwie logisch, nicht nur den Brutautomaten zu desinfizieren, sondern auch die "schmutzigen" Bruteier. Immerhin werden durch die Eier Keime vom Stall in den Brutraum getragen. Bei Körpertemperatur und 60-80 Prozent relativer Luftfeuchte bildet sich über zweieinhalb Wochen ein optimales Klima für Bakterien und Pilze. Mit dem Desinfizieren des Brüters verhindert man zumindest, dass die Erreger von einem Brutvorgang auf den nächsten übertragen werden können.
Das ist zumindest die Theorie.
Ich weiß, dass man in großen, professionellen Massenbrütereien gar nicht umhin kommt, alles und jeden zu desinfizieren. Dort gelten Hygienevorschriften, die man als kleiner Hobbylandwirt noch nicht einmal ansatzweise erfüllen kann. In solchen Betrieben kommt man im Normalfall noch nicht einmal bis zum Empfang, weil man vom Sicherheitsdienst schon vorher beiseite geführt wird. Allzu groß ist die Angst, dass durch den Menschen Krankheitserreger in das Unternehmen getragen werden.
Der Hobbywachtelhalter sollte zumindest die Grundregeln der Hygiene beherzigen. Absolut saubere Hände, desinfizierter Brutautomat, "einigermaßen" saubere Bruteier. Verkotete Bruteier gehören nicht in die Brutmaschine. Im schlimmsten Fall sortiert man das verschmutzte Wachtelbrutei aus.
Aus meiner Zeit als Fischzüchter weiß ich noch, dass Formaldehyd ("Formalin") in verschiedenen Fischmedikamenten verwendet wird. Als "zuverlässiger Bürger" bekommt man Formalin in Reinform auf Bestellung und gegen Unterschrift in der Apotheke. Man sollte ÄUSSERST vorsichtig damit umgehen und schon vorher an die Entsorgung denken. Es lohnt sich nicht, größere Mengen zu bevorraten, weil Formalin chemisch instabil ist, nach einiger Zeit (wenn ich mich recht erinnere) zu Ameisensäure zerfällt und seine Wirkung verliert.
Noch ein Schwank aus der Fischzucht: Jungfische aus einer sterilen Aufzuchtanlage fallen meist um, sobald sie mit dem "Bakteriencocktail" aus dem normalen Wasser in Berührung kommen. Sie besitzen kaum eigene Abwehrkräfte und haben ein desolates Immunsystem. Das "Problem" hat dann aber der Kunde, der diese Fische für seinen Teich oder das Aquarium gekauft hat. So sieht es zumindest der Zoofachhändler und verkauft seinem Kunden nach dem "mysteriösen" Tod der Fische erst mal einen Wassertest.
Zurück zu unseren Wachtelbruteiern und zum gesunden Menschenverstand: Bei der Naturbrut desinfiziert niemand die Eier. Sofern man einen gesunden Wachtelbestand hat (und nur damit sollte man züchten), sehe ich keine Notwendigkeit, jedes Brutei einzeln zu desinfizieren.
Widerspricht der Umgang mit krebserregenden Stoffen wie Formalin nicht der "artgerechten", naturnahen Tierhaltung? Muss man das Immunsystem der Wachtelküken durch zu viel Desinfektion auch so weit herunterfahren wie bei anderen Tierarten?
Ich betrachte die Desinfektion von Bruteiern als unnötig und lehne sie strikt ab. Allerdings wäre ich auch bereit, mich auf der Basis von Fakten anderweitig überzeugen zu lassen. Beim Tausch und Kauf von Bruteiern würde ich beispielsweise gern wissen wollen, inwieweit dort die Möglichkeit bestünde, dass man sich "irgendetwas einschleppt".
Es wäre äußerst interessant, Versuche mit desinfizierten und nicht desinfizierten Bruteiern zu machen, um einen Unterschied beim Bruterfolg festzustellen oder die Notwendigkeit zur Desinfektion zu beweisen bzw. zu widerlegen.
Nachtrag vom Juni 2020: Die Deutsche Gesellschaft für Landwirtschaft (DLG) hat im August 2007 das Merkblatt 340 "Haltung von Spezialgeflügel" veröffentlicht. Da es inzwischen als "nicht mehr aktuell" gilt, wird es im Web nicht mehr zum Download angeboten. Auf Seite 8 wird erwähnt, dass bei der Bodenhaltung von Wachteln eine erhöhte Gefahr von Endoparasiten, speziell Kokzidien, auftreten kann. Wenn man die Wachteleier verzehrt und vorher kocht, stellt das kein Problem dar. In den Brutautomaten sollten Endoparasiten aber nicht geschleppt werden. Bevor man hier mit der chemischen Keule auf die Bruteier losgeht, wäre es günstiger, direkt im Stall die Ursachen zu bekämpfen. Ob die Bruteiergewinnung per Käfighaltung hygienischer ist, bleibt offen.